2019.09.11 Erster Höhenrekordversuch

Der Tag fängt schon um 6:00 Uhr an. Ein ungewohnt kurzes Frühstück…wir sind noch nicht voll im richtigen Arbeitstakt. Ganz anders sieht es bei unserem Radiosonden-Team aus. Nach der endgültigen Genehmigung für die Aufstiege lassen Ramona und Markus pünktlich alle 6. Std einen Ballon mit der Messsonde fliegen, die uns Daten auf bis zu 30.000 m liefert. Direkt vor unseren gemütlichen Cabanas, kleinen Nurdachhäuschen mit Blick auf den Lago Argentina, steigen die mit Helium befüllten Ballone in den Himmel. Der erste Aufstieg um 3 Uhr morgens hat die wenigsten Zuschauer…aber Christian und Marko, unsere beiden Kameramänner sind auch da schon mit dabei.

Los geht’s, am Flughafen ist noch morgendliche Stille. Der Flugplan steht als erstes auf dem Programm. Zwei Stunden vor dem Start muss er vorliegen. Problem: Wir warten noch auf die endgültige Genehmigung und das Notam, für die Flüge bis auf FL 500, immerhin 15.000 m.

Die Wellensysteme sollen schon relativ früh durch eine hereinziehende Warmfront zusammenbrechen. Wir handeln mit der Flugsicherung einen Lokalflug bis auf FL 195 in der beantragten Zone aus, in der Hoffnung auf eine spätere Freigabe für die darüber liegenden IFR-Räume. Thomas als wohlorganisierter Mensch ist schon nach kurzer Zeit startbereit.

Ich habe noch einiges mehr zu tun. Immerhin habe ich 5 verschiedene Sauerstoffanlagen so anzuordnen, dass ich im Notfall die vorhandene Redundanz auch bedienen kann.

2 parallel geschaltete EDS-Systeme garantieren den ökonomischen Umgang mit dem wertvollen Stoff bis etwa 7.000 m. Danach übernehmen die beiden militärischen Bendixanlagen mit deutlich höherem Verbrauch die notwendige Versorgung meiner Atemorgane. Alle Anlagen sind voneinander getrennt, um bei Ausfall durch zum Beispiel eines eingefrorenen Druckreduzierers rasch auf ein anderes System zugreifen zu können. Die auf dem linken Sitz befestigten Flaschen und Anlagen gestatten den Blick auf alle Manometer und den Sauerstoff-Fluß.

Endlich sind wir startbereit. 20 kt Wind auf der Bahn, der Himmel hängt voller Geigen, sprich niedrige Lentikularis-Wolken stehen direkt vor uns, mitten über dem Lago Argentina. Zunächst will ich aber einen möglichst niedrigen Beginn des Segelflugs einleiten. Bei dem Wind sollten doch die angeblasenen Hügelketten im Westen ganz tief unten funktionieren. Doch leider bläst dort der Wind eher parallel zum Hang, was sich sehr einfach durch die Talachse erklären lässt. In knapp 800 m habe ich größte Mühe, nur die Höhe zu halten. Selbst die zahlreichen Condore haben offensichtlich Probleme mit dem Höhengewinn. Thomas und Christian steigen etwa 200 m höher ganz langsam auf die Kante des flachen Reliefs, wo es dann doch deutlich besser geht. Viele Achten später sind wir wieder zusammen. Etwas weiter östlich weist uns eine niedrige Linsenwolke den Weg. Nach einigem Hin und Her steigen wir direkt über dem Hang in die laminare Strömung ein. Entlang einer mächtigen Wolkenwalze surfen wir über den Lago Argentino.  Einmal mehr wird mir das Privileg bewusst, dieses Naturschauspiel aus der Vogelperspektive erleben zu dürfen. Kleine weißen Inseln  stehen in einem genialen Kontrast zur blaugrünen Pracht des gewaltigen Sees…..Eisberge, von den kalbenden Gletschern im Naturpark Los Glaciares. In 3.800 m  fliegen wir mit 200 km/h gegen den nunmehr deutlich stärkeren  Wind auf die nächste Wolkenwalze im Lee des Hauptkamms zu. Nach einem gefühlt ewigen Gleitflug mit entsprechendem Höhenverlust kommen wir knapp unterhalb der Rotorebene in moderater Turbulenz wieder ins Steigen. Nach einigen Mühen mit der turbulenten Strömung  wird die Luft wieder seidig, wir sind in der Welle. Mit bis zu 4 m/s katapultiert uns der eisige Atem der Cordillere in die Höhe. Wir haben eine Freigabe von Calafate Control bis 6.000 m. Oberhalb dieser Höhe ist Comodoro Rivadavia zuständig. Der erste Anruf mit der Bitte um FL 250 wird abgelehnt, kein Einflug in IFR-Luftraum für Segelflugzeuge. Mein Hinweis auf das NOTAM fruchtet. Nach 2 Min kommt das erlösende „Nivel 250 aprobado“. Worauf ich gleich FL 350 erbitte…“Aprobado“…wow.

Zunächst steige ich eher gemütlich bis auf 8500 m. In Richtung Norden glänzt der Lago Viedma in der Sonne. Ein Blick auf die Außentemperatur, -47 Grad Celsius. Leider lässt das Steigen trotz einer gigantischen Wolkenwand nach, verkehrt sich sogar in moderates Sinken. Auch auf dem Rückflug in Richtung Süden treffe ich keinen Aufwind mehr an. Eine Lenti mit einer sich gegen den Wind aufgestellten Oberseite liefert eine mögliche Erklärung. Die Welle bricht sich aufgrund niedrigerer Windgeschwindigkeit und löst sich auf. Und in der Tat, beim Näherkommen ist dieser Zerfall deutlich an der zunehmenden Turbulenz zu spüren. Im gleichen Atemzug bricht auch die Föhnlücke zusammen. Höchste Zeit durch eines der immer kleiner werdenden Löcher zügig abzusteigen. Schneefahnen wehen vom Campo de hielo, dem Eisfeld, über die Cordillere. Längst bin ich wieder auf der Frequenz von Calafate und kann den Abstieg der Egrett, dem Schleppflugzeug für den Perlan-Segler verfolgen. Nach einem gigantischen F-Schlepp auf fast 15.000 m in die Stratosphäre, können die Kollegen gerade mal 300 m Höhe gewinnen und landen kurz nach den beiden Stemme.

Am späten Abend zeigt uns die Natur eine lange Nase. Eine Perlmuttwolke wird in gewaltiger Höhe angeleuchtet und will uns vielleicht sagen: Schaut her, ich bin da, ihr habt mich nur nicht gefunden….