2019.09.14 Zu schoen um wahr zu sein

Die Vorhersage sieht richtig gut aus, zumindest vom Windfeld. Ein guter Gradient, Westwind in allen Hoehen, im Tagesverlauf auf NW drehend.

Dass in allen Karten ziemlich viel Feuchte in Form von Schnee prognostiziert wird, der am Nachmittag bis in die Ebenen  reichen soll, wird gerne augeblendet. Der Foehneffekt wird es schon richten. Da wir einen Fruehstart planen wird der Flugplan schon am Abend im Buero der Flugleitung aufgegeben.

Der Plan, ein Zielrueckkehrflug von Calafate nach Bariloche ueber 2.000 km ist, vorsichtig ausgedrueckt, ambitioniert. Vielleicht spornt uns die Flugstrecke der HALO, der Gulfstream der DLR, die die gleiche Strecke bis Mendoza auf der argentinischen Seite und zurueck auf der chilenischen Seite fliegen will hier an?

Um 4:45 rappelt das Telefon, wie immer viel zu frueh. Nach einem Blick aus dem Fenster steigt das Motivationsbarometer rasch an. Im fahlen Mondlicht sind jede Menge Lentis auszumachen. 5:45 Abfahrt zum Flughafen, Einchecken unserer Passagiere, während Thomas und ich als Piloten ohne allzugrosse Kontrolle zu den Flugzeugen dürfen.

Ramona, hochkaraetige Gleitschirmfliegerin will unbedingt mal Welle fliegen. Sie ist fuer die Auswertung meiner Datensammlung aus der Messbox unter meinem Fluegel zustaendig. Thomas fliegt mit Marko, unserem argentinischen Kameramann.

Flieger checken, Material und Passagiere verstauen – wir sind fast puenktlich.

Nach der Meldung am Tower dann die Ernuechterung. Mit dem Flugplan ist irgendwas nicht in Ordnung. Also, wieder aussteigen, zur Flugsicherung latschen um zu schaun, was los ist. Der zustaendige Beamte erklaert mir, dass mein Routing so nicht geht. Wir haben nur ein kleines Fenster im Westen von El Calafate fuer die Hoehenfluege bis 15.000 m in unserer Genehmigung. Es bedarf einiges an Ueberzeugungsarbeit, um ihm klarzumachen, dass ich als ganz normaler VFR-Flieger bis FL 195 in ganz Argentinien herumfliegen kann. Eineinhalb Stunden der kostbaren Zeit sind damit schon mal weg. Endlich in der Luft und schon nach wenigen Kilometern schwaches Wellensteigen. Zu wenig, entscheide ich – naeher zum Hauptkamm, wo immer die richtigen Wellen stehen. Schon auf halbem Wege sehe ich, dass das heute nicht klappt. Schneestaub und hochreichend Wolkenmassen verstopfen die Foehnluecke.

Uns bleibt nichts anderes als weiter leewaerts nach Norden zu fliegen. Doch keine der reichlich vorhandenen Rotorbaender bringt mehr als einige kurze Aufwindstoesse.

Laengst ueber der Wolkenbasis fliegen wir etwa 150 km mit Motor, bevor wir ein einigermassen akzeptables Steigen finden. Weit draussen in der Pampa ueber dem Lago Cardiel steht dann endlich eine lentiartige Struktur, die uns erstmals auf ueber 4.000 m traegt.

Die recht unzuverlaessligen Aufwinde mahnen zur Vorsicht. Der Hauptkamm und sogar die oestlich gelegenen Vorgebirge sind in massive Schneeschauer gehuellt. Die flachen Abhaenge und die spaerliche Arbeitshoehe erlauben keine schnellen Vorfluege in der wilden Landschaft unter uns. Viel zu langsam tasten wir uns gegen eine zunehmende Nordwestkomponente nach Norden. Die recht duerftige Funkabdeckung zur Areacontrol von Comodoro Rivadavia macht die 30 minuetigen Positionsmeldungen nahezu unmoeglich. Die Funkbruecke ueber die freundlichen Piloten der Linienflugzeuge hilft jedoch, die Controler von der Sorge ueber die „UFOS“ in ihrem Luftraum zu entlasten. Mittlerweile naehern wir uns dem Lago Buenos Aires. Suedoestlich des Monte Zeballo, ueber dem gruen herauf leuchtenden Lago Ghio, zeigt die Nadel des Variometers erstmals ueber 3 m/s an.

Die langezogene Ostflanke des Bergs, ein riesiges Plateau, ist tief verschneit und sieht aus der Ferne fast aus wie eine geschlossene Wolkendecke. Nur die zahllosen schwarzen Spitzen  kleiner Vulkankegel machen es als Bodenrelief erkenntlich.

WIr fliegen westlich des Zeballos in dem engen Tal zur chilenischen Grenze nach Norden. Hier steht wie so haeufig eine schoene Linie, die uns direkt zum Suedufer des gewaltigen Lago Buenos Aires fuehrt.  Links unter uns der Flugplatz von Chile Chico.  Voraus eine Aufreihung mitten ueber dem See. Sie dient uns als Sprungbrett fuer die mir gut vertraute Welle suedlich von Balmaceda. Sie liefert auch mit Abstand den mit 5,4 m/s besten Lift des Tages. In knapp 6000 m faellt die Entscheidung zum Rueckflug. Kaum Foehnluecken im Norden, dafuer aber hochreichende Quellbewoelkung mit Schauern. Beim Rueckflug nach Sueden wird auch hier die zunehmende Konvektivitaet sichtbar. Der eben noch beflogene Korridor westlich des Monte Zeballo ist jetzt dicht. In einem langen Gleitflug fliegen wir ueber das verschneite Plateau wieder zum Lago Ghio und seiner schoenen Welle. Die deutliche Rueckenwindkomponente und die groessere Arbeitshoehe erleichtern den Rückflug ungemein.

Dafuer muessen wir noch weiter oestlich ausweichen, um den Sichtbehinderungen durch die ueber die Cordillere schwappenden Niederschlaege auszuweichen.

Die Lücken wurden geringer

Jetzt ist extrem konservatives Fliegen angezeigt. Die Aussentemperatur in 6000 m ist -35 Grad und der Motorblock einschliesslich der Batterie hinter uns ist sicherlich nicht sehr viel waermer. Eine Rueckkehr mit Motor ist unter diesen Bedingungen kaum moeglich. Vorsichtiges Umfliegen der Schauer, lange Gleitfluege in groesstmoeglicher Hoehe sind angesagt. Auch die Alternative zum 150 km entfernten Flugplatz Gobernador Gregores ist nicht mit Sicherheit machbar. Viele hochreichende Cumuli koennen sehr schnell den Rettungsweg versperren und die kostbare Hoehe mit den Klappen vernichten zu muessen, ist auch nicht gerade das , was man braucht.

Noerdlich des Lago San Martin steht noch, dicht an der Schneewand eine recht brauchbare Lentistruktur. Sie bringt uns mit maessigen, aber hochwillkommenen Steigen nochmal auf die notwendig Hoehe um den Pass zu dem farbenpraechtigen See zu ueberqueren. Trotz noch gut ausehender Wolken haelt sich das Steigen in Grenzen. Noch 150 km mit 4.000 m und Rueckenwindkomponente – easy?

Aus vielen Fluegen unter Wellenbedingungen weiss ich jedoch, wie leicht die Hoehe bei massiven Abwinden dahinschwindet. Nach dem knappen Umfliegen eines Schauers noerdlich des Viedma Sees sind keine Wellenstrukturen mehr auszumachen Weiter im Osten stehen maechtige Congesti. Auf Kurs steht ein Schauer unmittelbar oestlich vom Flugplatz. Jetzt ist jeder Meter Hoehe wichtig.

Flugplatz El Calafate im Gleitwinkelbereich!

Nur einmal fuer ein paar Minuten im starken Sinken koennen jede Endanflugberechnung zunichte machen. Suedlich vom Lago Viedma bringt ein schwacher Aufwind noch 200 m, die wir dankbar mitnehmen. Der Anflug ueber den Lago Argentino erfolgt problemlos und der Bodenwind ist fast eingeschlafen.

Seidenweich setzen die Stemmes auf. Happy to be home…..